
Ein Baby und zwei Stahlseile
Themen:
Sehr starke ungelöste Geburtsspannung, Unerkannte Schmerzen, schlechte Laune, ständiges Nörgeln, verzweifelte Eltern
Alter Patient/in:
9 Monate
Angewandte Methode:
Craniosacral Therapie
Eine meiner für mich beeindruckendsten Behandlungen mit einem Baby war die mit einem neun Monate alten kleinen „Prinzen“. Der kleine Knabe brauchte permanente Aufmerksamkeit. Bekam er die nicht, fing er nörgelnd an zu weinen und steigerte sich rasch bis zur totalen Brüll-Attacke. Die Eltern kamen mit ihrem Sohn zu mir, weil sie verzweifelt und mit den Nerven am Ende waren. Sie wussten, dass es ihrem Kind nicht wohl ist, aber sie hatten schon alles versucht und sie fanden einfach nicht heraus, was ihm fehlte. Die Mutter konnte ihren Sohn tagsüber praktisch keine Sekunde sich selbst überlassen und auch an den Wochenenden war das Programm schwierig, weil das Baby auch in der Gesellschaft anderer Menschen fast nicht zu beruhigen war, ausser man fesselte seine Aufmerksamkeit durch ausschliesslichen 1:1 Kontakt. Das alles war für die Eltern und Grosseltern des Kleinen sehr anstrengend und man hätte durchaus den Eindruck gewinnen können, der Junge sei einfach eine Diva. So jedenfalls war das Echo von den Menschen rund um die Familie. Nicht nur die Nerven, sondern auch das Sozialleben der jungen Eltern litt sehr unter diesem Zustand.
Schon bei der ersten therapeutischen Berührung am Körper meines kleinen Patienten zeigte sich jedoch die wahre Ursache. Seine Nackenmuskulatur fühlte sich an wie zwei Stahlseile. Der Junge hatte auf den Strängen so starke Spannung, dass man daran eine Seilbahn hätte aufhängen können. Und sowas tut einfach verdammt weh! Wäre er ein Erwachsener gewesen, wäre er schon lange zum Physio gerannt. Der Zusammenhang war sofort klar - solange man sich intensiv mit dem Kindchen beschäftigte, wurde er von seinen Schmerzen abgelenkt. Sobald aber kein Input von aussen kam, wurden für ihn unvermeidlich die Spannungen wieder spürbar. Als ich dies den Eltern erklärte, löste sich auch bei ihnen sofort die Verzweiflung, denn natürlich war es für sie schlimm, ihren Sohn leiden zu sehen, aber sie hatten endlich eine Erklärung für sein Verhalten. Zum Glück reagierte das Baby aber sehr gut auf die Behandlung, die Stahlseile in seinem Nacken lockerten sich und wurden wieder zu Muskeln. Die Geburt des Kindes war übrigens ziemlich unauffällig verlaufen. Es war eine unkomplizierte Spontangeburt gewesen, ohne Interventionen.
Bereits nach der ersten Behandlung war der Junge wie ausgewechselt. Die Eltern waren überglücklich, erlebten sie doch zum ersten Mal ein Kind, dass nicht permanent bespasst werden musste, um zufrieden zu sein. In der Woche nach der zweiten Sitzung war mein kleiner Patient die meiste Zeit über rundum zufrieden, ausgeglichen und ausgesprochen fröhlichen Gemüts. Dass er weinte kam nur noch selten vor.
Insgesamt hatten wir drei Sitzungen nacheinander und noch eine vierte einige Wochen danach, um die Nachhaltigkeit optimal zu sichern. Wenn ich mir vorstelle, mit wie wenig Aufwand wir ein riesen gegenwärtiges und wohl auch zukünftiges Problem lösen konnten, dann liebe ich meinen Beruf einfach nur noch heiß und innig!
Hinzugefügt am:
22. November 2018
